Grau, teurer Freund,
ist alle Theorie
und grün
des Lebens goldner Baum. "


Goethe

"Gibt es für den bildenden Künstler und das Gebiet der Ästhetik allgemein verbindliche Farbgesetze und Regeln, od.er ist die ästhetische Beurteilung der Farben einzig subjektiver Meinung unterworfen? Meine Schüler stellten mir diese Frage sehr oft, und meine Antwort lautete jedesmal: 'Wenn Sie, ohne zu wissen, Meisterwerke der Farbe schaffen können, so ist das Nicht-Wissen Ihr Weg! Wenn Sie aber aus Ihrem Nicht-Wissen keine Meisterwerke der Farbe schaffen können, dann sollten Sie sich Wissen erarbeiten.'"

Itten

 
Farbe

Farbkreis

Mit Goethes Farbkreis outet man sich als gebildet, mit Ittens Farbkreis lernt man malen. Leider ist der Aufbau des Ittenschen Farbkreises in seiner ursprünglichen Form für Webfarben nicht gänzlich geeignet. Das liegt daran, dass er ja für Pigmentfarben gedacht war, und somit die Farben gelb - rot - blau als Grundfarben hatte. Diese galten als nicht weiter zu reduzieren, sie waren nicht aus anderen Farben zu mischen. Es ist nicht möglich, Ittens Grundfarben hier für alle Browser farbgetreu wiederzugeben. Interessierte müssen auf die Originalquellen verwiesen werden.
Auf jeden Fall muss es sich um ein Rot roter Fleckhandeln, "das weder bläulich noch gelblich ist", ein Gelb gelber Fleck, "das weder grünlich noch rötlich ist", und ein Blau blauer Fleck, "das weder grünlich noch rötlich ist." (Itten, a.a.O. S.30) Aus diesen sorgfältig auszuwählenden Grundfarben entstanden durch Mischung die Farben zweiter Ordnung, die Sekundärfarben. Sie waren ebenfalls genauestens auszumischen, damit sie weder in die eine noch in die andere Farbrichtung tendierten:
Gelb und Rot = Orange orangefarbener Fleck
Gelb und Blau = Grün grüner Fleck
Rot und Blau = Violett lilafarbener Fleck
Aus der Mischung einer Farbe erster Ordnung mit einer Farbe zweiter Ordnung entstanden dann die Farben dritter Ordnung, die Tertiärfarben:
Gelb und Orange = Gelborange gelborangefarbener Fleck
Rot und Orange = Rotorange rotorangefarbener Fleck
Rot und Violett = Rotviolett (Purpur, dunkles Magenta) rotvioletter Fleck
Blau und Violett = Blauviolett blauvioletter Fleck
Blau und Grün = Blaugrün blaugruener Fleck
Gelb und Grün = Gelbgrün gelbgrüner Fleck
Die Farben wurden so lange gemischt, bis das Ergebnis zufriedenstellte. Mal musste man von der einen Farbe etwas mehr nehmen, mal von der anderen. Das war materialabhängig und die Maßeinheit war das geschulte Auge des Künstlers, unter immer wieder anderen Bedingungen. Es gab keine unbestechlichen Zahlen auf der Farbpalette wie beim RGB-System auf dem Computer.
Das Purpur (abgedunkeltes Magenta) - der Übergang zwischen Rot und Violett - ist im natürlichen Spektralfarbenband, auf dem diese Farbauswahl beruht, übrigens nicht enthalten und wurde schon von Newton in seinem Farbkreis ergänzt.

Farbkreis Ittens

Im zwölfteiligen Farbenkreis sind die Farben dann so angeordnet, dass die Komplemementärfarben, die zusammengemischt ein neutrales Grau ergeben, einander gegenüberstehen. Denn Itten definiert als Harmonie-Gesetz: "Zwei oder mehrere Farben sind harmonisch, wenn sie zusammengemischt ein neutrales Grau ergeben." (Itten, a.a.O. S. 20) Dies folgt aus der Beobachtung, dass das menschliche Auge immer bestrebt ist, einer farbigen Erscheinung sofort die komplementäre Farbe hinzuzufügen. Das äußert sich z.B. im farblichen Nachbild und im Simultankontrast. Unsere optischen Sinne bemühen sich also ständig, einen Gleichgewichtszustand herzustellen, dem ein neutrales Grau entspricht.

Beim Arbeiten am Computer haben wir als Grundfarben:
Rot (red) roter Fleck (R 255, G 0, B 0)
Grün (lime) roter Fleck (R 0, G 255, B 0) und
Blau (blue) blauer Fleck (R 0, G0, B 255).
Diese Grundtöne haben nicht dieselbe Farbigkeit wie die mit Rot, Grün und Blau bezeichneten Farben im Ittenschen Farbkreis. Überhaupt sind die unterschiedlichen Farbbezeichnungen ein Problem bei der Verständigung über Farbtheorien. Soweit es beim w3 offizielle Schlüsselwörter für die hier angeführten Farben gibt, habe ich sie in Klammern angefügt.

Additive Farbmischung
Als Lichtfarben werden die RGB-Farben additiv gemischt und ihre Werte dementsprechend durch Addition ermittelt . Es ergeben sich dann folgende Sekundärfarben:

Rot und Grün = Gelb (yellow) gelber Fleck(R =255, G = 255, B = 0)
Grün und Blau = Cyan (cyan, aqua) cyanfarbener Fleck (R 0, G 255, B 255)
Blau und Rot =Magenta, helles Purpur (magenta, fuchsia) magentafarbener Fleck (R 255, G0, B 255)

Die Tertiärfarben sind:
Rot und Gelb = Orange orangefarbener Fleck (R = 255, G = 127 oder 128, B = 0)
Gelb und Grün = Hellgelbgrün (chartreuse) hellgrüner Fleck (R 127 oder 128, G 255, B 0)
Grün und Cyan = frühlingsgrün (springgreen) blaugrüner Fleck (R 0, G 255, B 127 oder 128)
Cyan und Blau = Hellazurblau hellazurblauer Fleck (R 0, G 127 oder 128, B 255)
Blau und Magenta = Blauviolett lilafarbener Fleck(R 127 oder 128, G 0, B 255)
Magenta und Rot = Hellpurpurrot karminfarbener Fleck (R 255, G 0, B 127 oder 128)

Die Hälfte von 255 muss auf- oder abgerundet werden, das ergibt in dezimaler Schreibweise Farbanteile von 127 oder 128, in hexadezimaler Schreibweise f5 oder 80.
Im HSB-Farbraum findet man die entsprechenden Farbwerte, indem man den Farbton (hue) bei gleichbleibender Sättigung (saturation) und gleichbleibender Helligkeit (brightness) in gleichmäßigen Gradschritten ändert:

Ausgehend vom Grundton Rot = 0° oder 360°:

120° -Schritte für die Grundfarben
60° -Schritte für die Sekundärfarben
30° -Schritte für die Tertiärfarben

 

 

 

Nicht nur die einander gegenüberstehenden Komplementärfarben sind in Ittens Farbkreis harmonisch, sondern auch " alle Dreiklänge, deren Farben im zwölfteiligen Farbkreis im gleichseitigen oder gleichschenkligen Dreieck oder in quadratischen oder rechteckigen Beziehungsverhältnissen zueinanderstehen". (Itten, a.a.O. S.21/22) Das gilt auch für den hier rein rechnerisch aus den Computer-Grundfarben abgeleiteteten Farbkreis:

Farbkreis

Im physikalischen Licht ergeben die Komplementärfarben zusammengemischt Weiß. Rein rechnerisch ergibt sich bei einigen Farbkombinationen zwar doch ein Überschuss an einer bestimmten Farbe und damit rein theorethisch kein reines Weiß. Aber da die RGB-Skala nur bis 255 reicht, ist alles, was darüber hinausgeht, unerheblich. Roter als Rot geht nicht, grüner als Grün geht nicht und blauer als Blau - eben. (Z.B. Mittelblau + Lila + Gelb = (R 382, G 382, B500) = (R 255, G 255, B 255) = Weiß
Wichtig für harmonische Farbkompositionen ist auch die Beachtung des Quantitätskontrastes. Er bezieht sich auf die unterschiedliche Leuchtkraft der Farben und meint die Flächengröße, die eine Farbe haben müsste, um die unterschiedliche Leuchtkraft zu einer anderen Farbe harmonisch auszugleichen - gewissermaßen Qualitätsausgleich durch Quantitätsausgleich. In Anlehnung an Goethe gibt Itten folgende Lichtwerte an:
Gelb : Orange : Rot : Violett : Blau : Grün wie
9 : 8 : 6 : 3 : 4 : 6
Für die komplementären Farben wären dies:
Gelb : Violett = 3 : 1
Orange : Blau = 2 : 1
Rot : Grün = 1 : 1
Für harmonische Flächen* müsste man die reziproken Werte nehmen, also:
Fl*-Gelb : Fl*-Orange : Fl*-Rot : Fl*-Violett : Fl*-Blau : Fl*-Grün wie
3 : 4 : 6 : 9 : 8 : 6
Diese Werte gelten für die Farben, die Goethe und Itten jeweils unter diesen Bezeichnungen verstanden. Die RGB-Farbe Grün (R 0, G 255, B 0) steht zur RGB-Farbe Rot (R 255, G 0, B 0) wohl kaum im Quantitäts-Verhältnis 1:1. Generell gilt, dass eine hellere, leuchtendere Farbe weniger Fläche zu ihrer Wirkungsentfaltung braucht als eine dunklere. Man kann auch sein farbiges Bild von einem Bildbearbeitungsprogramm in ein Schwarz-Weiß-Bild umrechnen lassen, um die Helligkeitsunterschiede genauer wahrzunehmen.

Farbkreis grau Farbkreis grau

Nun mögen die so errechneten Farbkombinationen harmonisch sein, angenehm sind die Kontraste reiner, ungesättigter Farben in voller Leuchtkraft wohl kaum. Es empfiehlt sich meist, die Farben durch Zugabe von Schwarz oder Weiß zu "brechen", d.h. aufzuhellen oder abzudunklen. Bei den Lichtfarben wird aufgehellt, indem sich durch entsprechendes Hinzufügen R-, G- und B-Anteile zu Weiß addieren. Abgedunkelt wird, indem die R-, G- und/oder B-Anteile zu gleichen Teilen reduziert werden. Werden die Farben sowohl entsättigt als auch aufgehellt, bekommt man die zart und leicht wirkenden Pastellfarben. Der Qualitätskontrast beschreibt den Gegensatz von gesättigten, leuchtenden Farben zu stumpfen, getrübten Farben.
Die Farbwahrnehmung ist ein komplexer Vorgang und von vielen Faktoren abhängig. Nach meinen jüngsten Erfahrungen kann sich eine Farbe sogar anders darstellen je nachdem ob sie am Meer mit viel blauem Himmel und blauem Wasser oder im Binnenland mit vielen grünen Bäumen, Pflanzen und Wiesen betrachtet wird. Harmonische Farbzusammenstellungen sind also eine immer neue Herausforderung.

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